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News aus dem Fachjournal "Der Wirtschaftstreuhänder"

Das WT-Fachjournal ist wahrscheinlich das wichtigste Magazin für Wirtschaftreuhänder und Steuerberater in Österreich. Es erscheint fünf Mal im Jahr – herausgegeben von VWT, der Vereinigung Österreichischer Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Anerkannte Fachleute schreiben über neue Entwicklungen und Problemstellungen aus der Branche.

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Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung: Aktuelle Änderungen

SEHR GEEHRTE FRAU KOLLEGIN,
SEHR GEEHRTER HERR KOLLEGE,

Im sogenannten 4. COViD-19-Gesetz, 24. Bundesgesetz vom 04. April 2020, wurden u.a. auch das 2. COViD-19-Justiz-Begleitgesetz und dort im Artikel 37, iii. Hauptstück, Bestimmungen hinsichtlich der Fristen im Insolvenzverfahren geregelt.

Für unseren Berufsstand speziell interessant und wichtig waren dabei die Regelungen des § 9, wonach die Verpflichtung des Schuldners, bei Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzantrags zu stellen, nicht bei einer im Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. Juni 2020 eingetretenen Überschuldung besteht.

Nunmehr wurden am 18. Juni 2020 im Nationalrat mit Initiativantrag Erleichterungen für den Schuldner insoweit beschlossen, als der Fristenlauf im § 9 Abs 1 sowie im § 9 Abs 3 jeweils vom 30. Juni 2020 auf den 31. Oktober 2020 ersetzt wurde.

Während dieses Zeitraumes ist also ein Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers nicht zu eröffnen, wenn der Schuldner überschuldet, aber zahlungsfähig ist.

Im Absatz 3 dieser Gesetzesbestimmung heißt es, dass der Schuldner, wenn er bei Ablauf des 30. Juni 2020 – jetzt 31. Oktober 2020 - überschuldet wäre, er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne schuldhaftes Zögern,

  • spätestens aber innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf des 31. Oktober 2020 oder
  • 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung - je nachdem, welcher Zeitraum später endet -

zu beantragen hat.

Unberührt bleibt dabei die Verpflichtung des Schuldners, zu jeder Zeit bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Nunmehr wurde – offenbar nach meiner Empfehlung beim Bundesfinanzminister – die Zeitraumfrist 30. Juni 2020 bis Ende Oktober 2020 verlängert.

Die Regelung der überschuldung als Insolvenzeröffnungsgrund gilt bekanntlich ausschließlich für Kapitalgesellschaften im weitesten Sinn, also AGs, GmbHs, Vereine, GmbH & Co KGs und ähnliche juristische Personen, die neben dem Zahlungsunfähigkeitstatbestand auch die überschuldung als Insolvenzeröffnungsgrund zu beachten haben.

Aufgrund langjähriger Judikatur, Rechtsgutachten etc. ist bei Überschuldung einer Kapitalgesellschaft dann von einem Insolvenzantrag abzusehen, wenn eine positive Fortbestehensprognose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufzeigt, dass diese juristische Person (GmbH, AG etc.) durch geeignete Sanierungsmaßnahmen in die Lage versetzt wird, zum einen die rechnerische Überschuldung zu beseitigen und zum anderen die Liquidität aufrecht zu erhalten.

Schlüssig ist, dass für jede Unternehmung eine grundsätzliche Fortbestehenszeitraumsdisposition zu erfolgen hat, die natürlich sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Allerdings müssen die an der Erstellung der Fortbestehensprognose Beteiligten, also Geschäftsführer, Gesellschafter, Banken und Bankiers, Lieferanten, öffentliche Hand etc., letztendlich dieser Prognose zustimmen, damit sie in Geltung tritt, und dürfen dies nur, wenn sie überwiegend wahrscheinlich positiv gestaltet werden kann.

Aus diesen Anforderungen erhellt sich sehr leicht, dass die Aufstellung solch einer Fortbestehensprognose immer eine Megaaufgabe darstellt, die sehr viel interdisziplinäre Einwirkungen braucht und des Weiteren auf die Vereinheitlichung der Interdependenz der unterschiedlichen Interessen angewiesen ist.

Klar ist somit, dass es in Zeiten wie diesen, also im Sommer unter Corona-Einfluss nur sehr schwer oder fast unmöglich wäre, solch eine Fortbestehensprognose positiv zu erstellen, wenn

  • mit Zeitraumende 30. Juni 2020 – sohin längstens bis 60 Tage danach, oder
  • wenn die Überschuldung zeitraumbezogen vor dem 30. Juni 2020 eingetreten wäre, innerhalb der verlängerten Frist von 120 Tagen

diese Fortbestehensprognose aufgestellt werden müsste.

Bekanntlich hat die KSW gemeinsam mit anderen Institutionen sowohl im Jahr 2006 als auch 2016 einen sogenannten „Leitfaden Fortbestehensprognose“ herausgebracht, der jeweils unter meiner Führung mit unterschiedlicher fachspezifischer Beteiligung erstellt worden ist. Allen Teilnehmern war immer klar, welch große Herausforderung die Erstellung einer solchen Fortbestehensprognose für die betroffenen Unternehmungen bedeutet. Der Leitfaden sieht explizite Anforderungen vor, weil er letztendlich der laufenden Rechtsprechung des OGH zu entsprechen hatte, wonach es sich dabei um eine realistische Einschätzung der künftigen Erträge und Aufwendungen handeln müsste, die dazu führen, dass die zukünftige Zahlungsfähigkeit und Lebensfähigkeit des Unternehmens mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen wären.

Gegen Ende Mai 2020 war nicht nur mir aufgrund der ökonomischen Entwicklung in Österreich klar, dass wir uns bemühen müssten, die Regierungsverantwortlichen auf die nach meinem Dafürhalten aus der Sicht März/April 2020 durchaus verständliche, aber nunmehr nicht mehr taugliche Terminisierung 30. Juni 2020 hinzuweisen.

ich habe daher mit dem Herrn Finanzminister ein Telefongespräch geführt, eine entsprechende Dokumentation nachgereicht und angeregt, den Zeitraum vom 30. Juni 2020 auf 31. Dezember 2020 zu verlängern.

Nunmehr ist also eine Verlängerung über den 30. Juni 2020 bis Ende Oktober 2020 vorgesehen, was eine wesentliche Verbesserung gegenüber der alten Terminisierung 30. Juni 2020 darstellt. Man wird dannzumalig sehen, ob Ende Oktober ausreichend sein wird – gegebenenfalls kann auch dieser Termin verlängert werden.

Nach Bekanntwerden der Terminverlängerung bis 31.10.2020 konnte man allenthalben in diversen Medien Kritik an der Verlängerung lesen, da behauptet wurde, dass damit die Beendigung von maroden und siechenden Unternehmungen nur hinausgezögert würde.

Tatsächlich müssen wir uns aber vor Augen halten, dass wir in Österreich rund zweihunderttausend juristische Personen haben, für die die Überschuldung ein Insolvenzeröffnungsgrund wäre, wenn nicht in Form einer Überschuldungsprüfung eine positive Fortbestehensprognose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt werden könnte.

Ich halte also allemal eine Verlängerung jedenfalls für geboten, da wir zur Zeit wohl vom derzeitigen und auch sommerbedingten Stillstand der Wirtschaft betroffen sind, aber zumindest auf eine wesentliche Verbesserung der Wirtschaft im Herbst und somit auch auf eine Verbesserung der Chance auf eine positive Fortbestehensprognose bauen können!

Bewusst muss uns sein, dass von dieser Regelung nur Kapitalgesellschaften und andere juristische Personen betroffen sind, die jedenfalls bis Ende Oktober 2020 ihre Zahlungsfähigkeit aufrechterhalten müssen!

Die Chance lebt! Ergreifen wir sie!

Wenn man sich die Fristigkeiten im Einzelnen vor Augen führt, dann gilt ab dem 31. Oktober 2020 jedenfalls die 60-Tage-Frist zur Konkursantragsstellung, wenn es nicht gelingt, innerhalb dieses Zeitraums, also bis Ende Dezember 2020, eine positive Fortbestehensprognose aufzustellen.

Für die Regelung der 120-Tage-Frist allerdings kann dies auch bedeuten, dass – z.B., - bei Überschuldung per Ende September 2020 von dort weg die 120-Tage-Frist zu laufen beginnt, womit wir als letzten Zeitpunkt den 31. Jänner 2021 für eine Insolvenzantragspflicht errechnen können bzw. den Konkursantrag durch eine geeignete positive Fortbestehensprognose vermeiden können!

Bewusst muss uns auch sein, dass diese Fristen nicht beliebig verschiebbar sind, da sie vom sorgfaltverpflichteten Geschäftsführer unter Androhung einer entsprechenden Haftung wahrhaftig und real wahrgenommen werden müssen – und eben keine Beliebigkeiten darstellen!

Allein diese Ausdehnung der Fristigkeiten in normalerweise prosperierenden Zeiträumen Herbst und Weihnachten gibt uns jedenfalls mehr Chancen zur Sanierung als ein Shutdown zum 30. Juni 2020.

Wir dürfen ja nicht vergessen, dass nach laufender Rechtsprechung des OGH neben der Aufrechterhaltung der Liquidität die Sanierung der Gesellschaft erreicht werden muss, damit diese nachhaltig, einerseits zahlungsfähig und andererseits lebensfähig werden (bleiben) kann, was auch bedeutet, dass die Überschuldung im danach auszumachenden Fortbestehenszeitraum (kurz gesagt zwei Jahre) beseitigt werden muss.

Diese Aussichten sind wohl jetzt im Sommer 2020 geringer ausgeprägt als im Herbst / Winter 2020 / 2021!

Alfred Brogyányi
 

Mag. Dr. Alfred Brogyányi
Geschäftsführer der VWT GmbH,
Ehrenpräsident VWT

Ausgabe WT 2020-03

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