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Corona-Virus (Covid-19) und die Auswirkungen auf die Abschlussprüfung

Das Präsidium der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hat am 03.04.2020 einen „Fachlichen Hinweis“ beschlossen, welcher in Form eines Fachgutachtens veröffentlicht worden ist.

In der Präambel allerdings wird ausgeführt, dass „die vorliegenden Hinweise … kurzfristig von einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision erarbeitet“ worden sind.

Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Dringlichkeit und der außergewöhnlichen Situation eine Befassung des gesamten Fachsenates nicht möglich gewesen war.

Weiters wird festgehalten, dass „die Hinweise … daher als Empfehlung einer Expertengruppe zum Wissensstand per 03.04.2020 zu verstehen“ seien, und des Weiteren diese kein Fachgutachten des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision darstellen.

Auch mit dieser Einschränkung möchte ich zunächst darauf hinweisen, dass die „Ad-hoc-Arbeitsgruppe“ des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision“ ein wichtiges Hilfsmittel für die Abschlussprüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2019 – davor und danach – geliefert hat.

Auf die in Europa jedenfalls offensichtlich verspäteten Reaktionen der entsprechenden Parlamente, Behörden und Staatsführer soll in diesem meinem Beitrag nicht eingegangen werden. Trotzdem möchte ich darauf hinweisen, dass der Shutdown in Österreich wohl ab Mitte März 2020 festzumachen ist, und die Auswirkungen aufgrund der Konsequenzen jedenfalls auch den erstellenden Wirtschaftstreuhänder, den Finanzvorstand wie auch insbesondere den Abschlussprüfer vor erhebliche Probleme stellen.

In meinen weiteren Ausführungen möchte ich ausschließlich auf das Thema des „Going Concern“, also der Annahme der Unternehmensfortführung (Going-Concern-Prämisse) eingehen und – ohne Kritik zu üben – auf einige mir notwendige Ergänzungen hinweisen:

1. Ganz richtig wird in dem „Fachlichen Hinweis“ darauf hingewiesen, dass aus Anlass der Prüfung des Jahresabschlusses – eine Stichtagsfestmachung ist in dem fachlichen Hinweis nicht enthalten - besondere Aufmerksamkeit der Prüfung der Annahme der Unternehmensfortführung zu widmen ist.

In der weiteren Folge gehen die „Fachlichen Hinweise“ auch auf den Umstand ein, wonach COVID-19 erst nach dem Bilanzstichtag ausgebrochen sein sollte und der Abschluss noch nicht fertig aufgestellt bzw. geprüft sein sollte.

Bekanntlich endet die Verpflichtung des Abschlussprüfers zur Berichterstattung von Ereignissen nach dem Abschlussstichtag (nachträgliche Ereignisse) frühestens mit dem Datum der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den gesetzlichen Vertreter, jedenfalls aber mit dem Datum des Bestätigungsvermerks, und nicht mit dem Datum der Genehmigung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung!

Ich habe in diesem Zusammenhang in meinem anderen Fachartikel auf das Thema Wertaufhellung / Wertbegründung hingewiesen.

2. Annahme, wonach COVID-19 erst nach dem Bilanzstichtag ausgebrochen sei und der Abschluss noch nicht aufgestellt bzw. geprüft gewesen sein sollte:

Richtig führen zunächst die „Fachlichen Hinweise“ aus, dass dem Abschlussprüfer eine ganz besondere Aufmerksamkeit der Prüfung der Annahme der Unternehmensfortführung auferlegt ist. Ich glaube allerdings, dass die bloße Annahme der Unternehmensfortführung, die ja durch die Aufstellung einer Regelbilanz zu Buchwerten (Going Concern) unterstellt ist, zu wenig aussagekräftig ist, ob tatsächlich die geprüfte Gesellschaft von ihrer Zukunft ohne Beeinträchtigung der Fortführung ausgehen kann.
 
Vielmehr bedarf es hier wohl einer Fortführungsprognose, die wohl vom Vorstand aufzustellen ist, und welche vom Abschlussprüfer in seine Prüfung miteinbezogen werden muss. Denn nur so, nämlich auf Grundlage einer vom Vorstand erstellten Fortführungsprognose, kann der Abschlussprüfer der Prüfung der Unternehmensfortführung besondere Aufmerksamkeit widmen!

So weit so gut – soweit es sich um formale Erfordernisse handelt.

Tatsächlich ist aber wohl davon auszugehen, dass bei besonders kritischen Unternehmensbereichen, wie z.B. sämtliche Unternehmensbereiche, die mit dem Flugverkehr zusammenhängen, also Flughäfen, Luftlinien und entsprechende Nebengewerbe, davon auszugehen ist, dass auch in einer entsprechend erstellten Fortführungsprognose, wie immer sorgfältig sie auch durch den Vorstand der geprüften Gesellschaft erstellt sein mag, ziemlich markante Ausführungen verlangt werden, die begründen, warum – im gegebenen Fall der Jahresabschluss zum 31.12.2019 – noch unter dem Aspekt der Going-Concern- Annahme aufgestellt werden soll, wenn doch die im § 201 Abs 2 UGB geforderten Maßgaben für die Buchwertfortführung formuliert sind, nämlich so lange von der Fortführung des Unternehmens auszugehen, solange dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegen stehen.

(Bekanntlich steht das DHGB in § 252 und natürlich auch die Rechtsprechung des BGH auf demselben Rechtsinhalt und verweist als Mangel für die Going-Concern-Annahme bzw. Fortführungsprognose auf Gegebenheiten, die tatsächlicher oder rechtlicher Natur sind und insoweit der Fortführung des Betriebes entgegenstehen!)

Die Konsequenz dieser Untersuchungen sind bekannt; wird die Buchwertfortführung aufgrund der Fortführungsprognose in Frage gestellt oder ist sie zu verneinen, dann ist auch die Going- Concern-Annahme für den Jahresabschluss zum 31.12.2019 zu verneinen!

Diese besonderen Herausforderungen treffen zum einen natürlich den Vorstand, aber insbesondere im selben Ausmaß auch den Abschlussprüfer, wie der „Fachliche Hinweis“ vom 03.04.2020 richtig festhält.

Auch nach ISA 560.6 ist darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung des Abschlussprüfers zur Berücksichtigung von Ereignissen nach dem Abschlussstichtag (sogenannte nachträgliche Ereignisse) frühestens mit dem Datum der Aufstellung des Jahresabschlusses durch die gesetzlichen Vertreter, jedenfalls aber mit dem Datum des Bestätigungsvermerks – und nicht mit dem Datum einer Genehmigung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung (vgl. ISA 560.7 und ISA 560 A7 - A8) - endet.

Der Abschlussprüfer hat also auch hier eine besondere Aufmerksamkeitspflicht, wenn die Maßnahmen für die Fortführung des Unternehmens aufgrund der Einschränkungen nach Mitte März 2020 dazu führen, dass es eben tatsächliche und rechtliche Gründe gibt, die gegen die Fortführung des Unternehmens mehr oder weniger nachhaltig sprechen.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Cash-Burning-Rate des Unternehmens zu beachten sein wird, also eine Antwort auf die Frage, wieviel Liquidität dem Unternehmen noch zur Verfügung steht, um die sogenannten tatsächlichen oder/und rechtlichen Gründe zu überbrücken, um von einer Fortführungsprognose ausgehen zu können.

3. Bestätigungsvermerk
Es mag für den Abschlussprüfer in diesem Zusammenhang ein sehr schwieriges Unterfangen sein, zwischen einem versagten Bestätigungsvermerk einerseits bzw. einer Einschränkung im Bestätigungsvermerk entscheiden zu müssen.

Auch ihm werden auch bei sorgfältiger Ausstellung einer Fortführungsprognose im Zweifelsfall pflichtgemäße Bedenken kommen, wenn er sich für eine oder andere Form zu entscheiden haben wird.

4. Diese obigen Ausführungen gelten natürlich auch für die Aufstellung des Jahresabschlusses und Beurteilung des Jahresabschlussprüfers für alle jene Fälle, die erst nach dem Shutdown von Mitte März 2020 aufgestellt und geprüft werden müssen.

5. Interessant ist, dass die „Fachlichen Hinweise“ der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vom 03.04.2020 nicht auf einen Sachverhalt eingehen, der etwa wie folgt ausgestaltet sein kann:

  • Jahresabschluss zum 31.12.2019
  • Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand im Jänner 2020
  • Prüfung und Bestätigungsvermerk und Feststellung bzw. Genehmigung des Jahresabschlusses im Februar 2020 – also vor Einleitung des Shutdowns Mitte März 2020

Für diesen angenommenen Sachverhalt, der möglicherweise stattgefunden haben wird, gibt es keine wie immer geartete Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, in dem letztendlich von der Hauptversammlung genehmigten Abschluss, in das Testat des Abschlussprüfers aufgrund der COVID-19-Konsequenzen einzuwirken!

6. Mir ist die Schwierigkeit für den Berufsstand des Wirtschaftsprüfers in diesem Zusammenhang extrem bewusst.

Lösungen werden wohl nur im Einzelfall adäquat und kaufmännisch und vor allem gesetzlich begründet zu finden sein. Sie werden wohl dort zu akzeptieren sein, wenn in der Fortführungsprognose als Ergebnis eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit angenommen werden kann!

Ihr Alfred Brogyányi
 

Mag. Dr. Alfred Brogyányi
Geschäftsführer der VWT GmbH,
Ehrenpräsident VWT

Ausgabe WT 2020-02

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