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THE NEW NORMAL?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

2021 könnte in Sachen Corona wahrscheinlich ähnlich verlaufen wie 2020. Die guten Nachrichten der Bundesregierung zum Jahreswechsel aufgrund der bevorstehenden Impfung müssen aktuell revidiert werden. Sie werden sich nicht in Luft auflösen, aber die Durchimpfung der Bevölkerung wird sich doch zeitlich weit nach hinten verschieben. Die Aussage zu Beginn der Krise „The New Normal“ bzw. der neue Normalzustand dürfte damit Realität werden und wird wohl noch etwas länger vorherrschen. Erst wenn es wieder wärmer und sommerlicher wird und die impfungen wirken, können wir zur alten Realität zurückkehren.

In unseren Kanzleien – so kann ich mir vorstellen - wird es nicht mehr so sein wie zuvor. Denn die Nutzung des Homeoffice – auch dank der neuen Sozialpartner-Vereinbarung - wird zunehmen und diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die einen längeren Weg ins Büro haben, werden überlegen, ob das Home Office nicht eine ernstzunehmende Alternative ist. Auch die Zusammenarbeit mit den Klienten wird durch die Möglichkeit der Videokonferenz samt Präsentation von Unterlagen über die geteilten Bildschirme wahrscheinlich verstärkt werden, ohne dass man Fahrzeiten in Kauf nehmen muss. ich denke aber, dass hie und da trotzdem eine Besprechung angesetzt und nachher ein kulinarischer genuss geplant wird, den man in Zukunft stärker schätzen wird. Persönliche Termine sind weiterhin wichtig und stärken die Zusammenarbeit. Auch in der Akquisition sind persönliche Vorstellungsgespräche unerlässlich und werden fortgesetzt werden.
 
Da einige von ihnen bereits in der Bilanzsaison angekommen sind, möchte ich hier von meiner Wahrnehmung in den letzten Monaten berichten. in unserer Kanzlei hatten wir im vergangenen Jahr bei mehreren Klienten einen Wechsel des Finanzleiters in den Unternehmen oder auch des CFO bei internationalen Konzernen. die erste Maßnahme dieser neuen CFO war eine Änderung des Terminplans für die Bilanzabgabe! Sie dürfen raten, in welche Richtung. Vollkommen unbeeindruckt von COVid-19 und möglichen Risken in der Verfügbarkeit der Mitarbeiter wurde der Bilanzierungszeitraum in der Regel um zwei Wochen verkürzt, so dass die Prüfungen und die Bilanz- Feststellung schon Ende Jänner, im Februar, aber mit Sicherheit Anfang März erfolgen soll.

Dies ist eine besondere Herausforderung für unseren Berufsstand, da im Corona-Jahr eventuell Ausfälle von Mitarbeiterinnen durch Krankheit oder auch durch Quarantäne-Bestimmungen möglich sein können. in dieser gesamtsituation den Bilanzierungszeitraum zu verkürzen, ist meiner Meinung nach eine Unsitte von frisch bestellten Finanzvorständen. Wenn Sie die gleiche Wahrnehmung haben, so lassen Sie mich das bitte wissen.

Offensichtlich gibt es einen Wettbewerb zwischen den CFO: denn jener, der den schnelleren Abschluss in seinem Unternehmen vorgegeben hat, hat das bessere Standing in seinem Umfeld. dieser Wettkampf ist leider ein Wettkampf zulasten dritter, nämlich der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, und muss in meinen Augen einmal klar angesprochen werden. ich werde für meine Kanzlei im nächsten Jahr die Prüfungsverträge anpassen und hier Zuschläge verrechnen, wenn wieder Verkürzungen verlangt werden, die aber nicht notwendig sind.

Börsenotierte gesellschaften in Wien müssen aufgrund der Abgabepflicht gemäß Börsebestimmungen mit 30. April rasch fertig werden. Auf anderen Börseplätzen gelten ähnliche Bestimmungen, so dass vielfach die österreichischen Tochtergesellschaften von ausländischen Konzernen ebenso schnelle Abgabefristen haben. Aber für alle weiteren privat geführten Konzerne ist ein etwas moderaterer Bilanzierungszeitraum durchaus möglich und auch sinnvoll.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten hier einen Zuschlag für schnelle Bilanzierung im ersten Quartal des Folgejahres verlangen!

An schnellen Abschlüssen haben auch die die Unternehmen finanzierenden Banken ein großes interesse. Eine späte Abgabe der Bilanz, zumeist nach dem fünften Monat, wird im Rating der Banken mit Abschlägen bedacht. Unternehmen, die ein gutes Soft-Rating ihrer Bank erreichen wollen, planen daher auch die rasche Bilanzierung ihrer Abschlüsse. dieses Banken- Rating wird für die Unternehmen im Corona-Jahr 2020 noch ein wichtiger Punkt sein. Ein schlechtes Rating und dann noch schlechte Bilanzzahlen könnten die ersten Kandidaten für die bevorstehende insolvenzwelle sein, die vor allem von den Kreditschutzverbänden herbeigeredet wird. Aber dennoch habe ich gehört, dass auf insolvenzrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien und auch die gerichte im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren enorm unterausgelastet waren.

Am anderen Ende der Bilanzfertigstellung zeigt sich auch, dass jene Unternehmen, die die Verlängerung der Offenlegungsfrist vom September 2020 auf den dezember 2020 in Anspruch nahmen, wohl doch schwächere oder nur knapp liquide Unternehmen waren. Bei diesen Klienten baute sich wie in den Vorjahren am Ende des zulässigen Zeitrahmens wieder der druck auf Abschluss der Bilanzarbeiten auf, obwohl doch drei Monate mehr Zeit gewesen wäre. ich meine, diese Unternehmen sind dann doch die „Kandidaten für insolvenzen“, für die es 2021 ungemütlich werden könnte.

Meine Beobachtung der letzten Jahre bestärkt mich in der Annahme, dass - je später die Bilanz aufgestellt wird - umso schlechter es um das Unternehmen steht. der druck auf den bilanzierenden Steuerberater oder den testierenden Wirtschaftsprüfer ist immer derselbe, gleichgültig wie lange die Offenlegungsfrist beim Firmenbuch auch ist.

Da bei diesen „späten“ Klienten das Risiko einer insolvenz deutlich höher ist, sollten wir als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auch diesen Klienten mit notorischen Fertigstellungsproblemen einen Honorarzuschlag verrechnen.

Im Präsidium haben wir zuletzt die Situation unser Berufshaftpflicht und der Exzedenten -Versicherung besprochen und wurden informiert, dass es im Schnitt der letzten Jahre rd. 70 Fälle von Ansprüchen an den bilanzierenden Steuerberater oder den testierenden Wirtschaftsprüfer gab. Es gibt leider immer wieder Fälle, dass der Masseverwalter bei insolvenzen als eine der ersten Maßnahmen unsere Haftung gemäß AAB oder UgB abrufen will. dieser Praxis des schnellen geldes für Masseverwalter muss Einhalt geboten werden, denn diese Vorgehensweise geht zulasten unserer Haftpflicht-Versicherung!

Wir müssen stärker auf die Qualität unserer Arbeit achten und uns wegen Termindrucks nicht in das Risiko für unsere Klienten begeben. dazu wird die Bilanzsaison 2020 eine besondere Herausforderung, denn aufgrund von COVid-19 und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden nicht alle Unternehmen überleben.

Ich wünsche ihnen daher eine „bedächtige Bilanzsaison 2020“, in der Sie Zeit finden, auch kritische Entwicklungen bei ihren Klienten zu würdigen und entsprechende Maßnahmen zu ihrer Sicherheit zu setzen!

Hoffen wir auf das Beste für 2021! Vielleicht kommt nach dem Lock down ein Slow down, bevor es wieder neu beginnt.

Bleiben Sie gesund!

Ihr Philipp Rath

Mag. Philipp Rath
Präsident der VWT

Ausgabe WT 2021-01

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